Akteneinsicht im Strafverfahren

Die Einsicht in Ermittlungsakten kann die Chancen einer erfolgreichen Verteidigung für beschuldigte Personen wesentlich beeinflussen. Für die bestmögliche Verteidigungsvorbereitung ist deshalb eine frühzeitige Akteneinsicht unerlässlich.

In diesem Beitrag erläutert Ihnen Markus Bialobrzeski – Anwalt aus Braunschweig mit Fachanwaltstiteln im Strafrecht, Steuerrecht und Arbeitsrecht – Grundlagen und Bedeutung des Akteneinsichtsrechts im Strafverfahren.

Bedeutung der Akteneinsicht für die Verteidigung

Wird eine Person einer Straftat beschuldigt, beginnt eine effektive Verteidigung in dem Zeitpunkt, in welchem hierüber Kenntnis erlangt wird. Unabhängig vom Zutreffen etwaiger strafrechtlicher Vorwürfe kann eine Einsicht in die Ermittlungsakten maßgeblich bestimmen, welche taktischen Überlegungen anzustellen sind und kann darüber hinaus die Erfolgschancen in einem möglichen Prozess wesentlich erhöhen. Denn: Nur wer den gegen sich erhobenen Vorwurf und die zugrundeliegenden Beweise der Ermittlungsbehörden vollständig kennt, ist auch in der Lage, angemessen darauf zu reagieren sowie auf das Strafverfahren positiv Einfluss zu nehmen.

Je nach Lage der Akten kann sich ergeben, inwiefern der Versuch eines Widerlegens der Vorwürfe zu unternehmen oder ein Geständnis anzuraten ist. Letzteres Vorgehen kann in vielen Fällen eine geringere Strafe erwirken, da ein aufwändiges Verfahren vermieden und durch den Täter Schuldeinsicht gezeigt werden können.

Einfluss auf die Aktenführung des Staates

Anhand des Inhalts der Ermittlungsakte hat die Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 1 StPO darüber zu befinden, ob nach dem Ergebnis der Ermittlungen die öffentliche Anklage geboten ist. Das Gericht darf seine abschließende Entscheidung nur auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung stützen, in welche in der Regel zuvor der relevante Akteninhalt eingeführt worden ist.

Das Akteneinsichtsrecht folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 EMRK) und dem Grundsatz auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Spiegelbildlich zum Akteneinsichtsrecht steht die Pflicht der Ermittlungsbehörden zur rechtsstaatlichen Aktenführung. Diese folgt wiederrum aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs 3 GG, die in einzelnen Verordnungen innerhalb der Bundesländer genauer umgesetzt wird. In Niedersachsen sind Regelungen zur Aktenführung in der Aktenordnung für die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften (AktO) normiert.

Es ergeben sich folgende Grundprinzipien für die Aktenführung:

  • Vollständigkeit
  • Wahrheit
  • Klarheit
  • Sicherung der Auffindbarkeit
  • Manipulationsschutz

Die Einhaltung dieser Prinzipien genießen besonderen staatlichen Schutz. Eine unberechtigte Veränderung von Akten stellt in jedem Fall ein Dienstvergehen des handelnden Beamten dar. Darüber hinaus kann ein entsprechendes Verhalten unter Umständen einer strafrechtlichen Ahndung unterliegen, beispielsweise wegen:

  • Urkundenfälschung, § 267 StGB
  • Mittelbare Falschbeurkundung, § 271 StGB
  • Urkundenunterdrückung, § 274 StGB
  • Verwahrungsbruch im Amt, § 133 StGB
  • (Prozess-)Betrug, § 263 StGB

Wer ist einsichtsberechtigt?

Im deutschen Strafrecht finden sich unterschiedliche Regelungen zur Akteneinsicht. Der unverteidigte Beschuldigte darf im Strafverfahren gemäß § 147 Abs. 4 StPO bzw. der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 49 OWiG in die Akten Einsicht nehmen. Wegen des Strafanspruchs des Staates unterliegt das Einsichtsrecht des unverteidigten Beschuldigten allerdings Beschränkungen.

So ist es dem Beschuldigten verwehrt, die Akten im Original zur Mitnahme zu erhalten. Es wird vielmehr nur eine Einsicht in den Behördenräumlichkeiten und nach vorheriger Terminabsprache ermöglicht, wobei die Anfertigung von Kopien gestattet ist. Auch die Einsichtnahme in Beweisstücke ist nur unter Aufsicht möglich. Die Akteneinsicht kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck desselben oder eines anderen Strafverfahrens dadurch gefährdet wäre.

Ein verteidigter Beschuldigter hat dahingegen eine umfassendere Möglichkeit vom Stand der Ermittlungen Kenntnis zu erlangen. Ein Anwalt muss nicht bei der Behörde erscheinen, sondern kann sich die Akte auf Antrag bequem zum Kanzleisitz senden lassen und dort Kopien fertigen. Spätestens mit dem Abschluss der Ermittlungen steht dem Anwalt eine uneingeschränkte Einsichtsmöglichkeit zu. Grund für das weitergehende Recht des Verteidigers nach § 147 Abs. 1 – 3 StPO ist, dass dieser in der Lage sein muss, die Verteidigung seines Mandanten bestmöglich vorzubereiten. Da der Verteidiger Organ der Rechtspflege ist und zudem vor Zulassung als Anwalt in Bezug auf seine Berufspflichten vereidigt wurde, stellt er insofern in aller Regel keine Gefährdung für den vollständigen Bestand der Akte dar.

Neben dem Beschuldigten tritt das Recht eines Geschädigten zur Akteneinsicht nach § 406e stopp, wenn dieser ein berechtigtes Interesse daran nachweisen kann. Unter Einschränkungen kann auch unbeteiligten Dritten Akteneinsicht gewährt werden, wiederum unter dem Nachweis eines berechtigten Interesses (z. B. Nachrichtendienste).

So könnte ein Antrag auf Akteneinsicht aussehen:

Ihr Name

Straße

PLZ

Zuständige Behörde

Straße

PLZ

                                                                                                                                             [Datum]

Betreff: Antrag auf Akteneinsicht

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

hiermit beantrage ich nach § 147 StPO/§ 49 OWiG die Einsicht in die mich betreffende Akte zum Aktenzeichen: [Aktenzeichen].

 

Ich möchte die Akte in Ihren Räumlichkeiten persönlich in Augenschein nehmen.

 

ODER

 

Ich beantrage die Zusendung der Akte an folgende Polizeidienststelle: [Dienststelle].

 

Mit der Bitte um Rückmeldung, wann und wo die betreffende Akte einsehbar ist.

 

Mit freundlichen Grüßen

[Ihre Unterschrift]

Akteneinsicht verweigert – was nun?

Wurde die Einsicht in die Akte durch die Staatsanwaltschaft als zuständige Ermittlungsbehörde verweigert, ist dagegen als Rechtbehelf der Antrag auf gerichtliche Anhörung gemäß § 147 Abs. 5 StPO zulässig. Auf diesem Weg lässt sich die Entscheidung der Staatsanwaltschaft noch einmal durch ein Gericht überprüfen. Spätestens in diesem Abschnitt des Verfahrens ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts dringend geboten. Aufgrund der Erfahrung eines Verteidigers lassen sich die Argumente der Staatsanwaltschaft für eine Versagung des Einsichtsgesuch besser erfassen und überzeugend widerlegen. Wird etwa wegen einer möglichen Gefährdung des Untersuchungszwecks Akteneinsicht verwehrt, kann Anwalt gegebenenfalls aufzeigen, weshalb trotz Ansicht der Staatsanwaltschaft eine Akteneinsicht geboten ist (etwa bei bereits erfolgten Eingriffsmaßnahmen wie einer Durchsuchung).

Beratung zum Thema Akteneinsicht

Aus dem Akteninhalt können sich grundlegende Schlüsse auf das laufende (Ermittlungs-)Verfahren ergeben. Um eine erfolgsversprechende Verteidigung zu entwerfen, ist eine frühzeitige Akteneinsicht – auch schon vor einer ersten Vernehmung – daher von großer Bedeutung. Daneben erhöht der schnellstmögliche Kontakt zu einem Strafverteidiger die Chancen eines möglichst zufriedenstellenden Verfahrensausgangs ungemein.

Markus Bialobrzeski, Anwalt aus Braunschweig mit Fachanwaltstiteln im Strafrecht, Steuerrecht und Arbeitsrecht, berät und betreut Sie bei Fragen im Zusammenhang mit Ihrem Akteneinsichtsrecht und kann Sie unterstützen, dieses durchzusetzen. Des Weiteren stehen Ihnen die Rechtsanwälte Bialobrzeski bei allen weiteren Fragen des Strafrechts, des Steuerrechts, Arbeitsrechts und Insolvenzrechts zu Seite. Sie erreichen Bialobrzeski Rechtsanwälte und Steuerberatung unter der Telefonnummer 0531 480 312 80 oder per E-Mail unter office@bialo19.de oder direkt an unserem Kanzleisitz Neue Straße 20, 38100 Braunschweig.