Die Steuerhinterziehung – Das Zentraldelikt des Steuerstrafrechts

Durch Berichterstattungen etwa zu den Paradise Papers, Cum-Ex oder aber zum Ankauf von Steuer-CDs wird die Öffentlichkeit wiederholt an die gem. § 370 AO strafbewehrte Steuerhinterziehung erinnert. Doch neben ihrer medialen Präsenz kommt der Steuerhinterziehung aufgrund der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung sowie wegen der möglichen persönlichen Betroffenheit einer Vielzahl von Bürgern hohe Bedeutung zu.

In diesem Beitrag verschafft Rechtsanwalt Markus Bialobrzeski aus Braunschweig, Fachanwalt für Steuerrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht, einen Einblick in die bekannteste aber auch wichtigste Norm des Steuerstrafrechts.

Rechtsgut der Steuerhinterziehung

Wie durch die Überschrift dieses Beitrags schon ausgedrückt, bildet die Steuerhinterziehung nach § 370 AO die Kernvorschrift des Steuerstrafrechts. Die übrigen dort geschaffenen Tatbestände ergänzen den Rechtsschutzgedanken der Steuerhinterziehung lediglich.

Die Steuerhinterziehung umfasst nach vorherrschender Meinung in der Jurisprudenz das öffentliche Interesse am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen der einzelnen Steuern. Daneben schützt § 370 AO auch das Vermögen all jener Steuerpflichtigen, die zur Ermittlung der jeweiligen Steuerschulden ehrlich mitwirken und diese letztlich abführen. Dies ergibt sich aus dem folgenden Umstand:

Die Erhebung von Steuern dient der Finanzierung des öffentlichen Haushalts und damit letztlich der Deckung öffentlicher Aufgaben. Steigt nun die Zahl jener Steuerpflichtigen, die Steuern hinterziehen, erhöht sich der Anteil für jeden übrigen Steuerpflichtigen als Teil der gesellschaftlichen Solidargemeinschaft.

Die Steuerhinterziehung wird wegen ihrer grundsätzlichen Ähnlichkeit zum Tatbestand des Betruges nach § 263 StGB gerne als „Steuerbetrug“ bezeichnet, so gesehen gegenüber dem Staat und der Gemeinschaft der übrigen Steuerpflichtigen. Sie ist als sogenanntes konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Das bedeutet, dass ein strafbares Verhalten das Steueraufkommen des Staates faktisch nicht gemindert zu werden braucht. Für eine Ahndung genügt vielmehr die konkrete Gefährdung des staatlichen Steueranspruches.

Die Tathandlung der Steuerhinterziehung

Durch den Tatbestand der Steuerhinterziehung soll nicht die Nichtzahlung von Steuern, sondern bestimmte Handlungen eines Täters sanktioniert werden:

  • wenn jemand der Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO),
  • wenn die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO),
  • wenn jemand pflichtwidrig Steuerzeichen (z. B. Tabaksteuerbanderolen) oder Steuerstempler nicht verwendet.

Während im erstgenannten Fall jedermann als Täter in Betracht kommen kann – also neben dem Steuerpflichtigen dessen Steuerberater oder sogar ein Finanzbeamter -, kann die beiden übrigen Fälle nur jener verwirklichen, der einer gesetzlichen Verpflichtung zur Erklärung steuererheblicher Tatsachen bzw. Verwendung der Steuerzeichen unterworfen ist.

Bestraft wird nach § 370 Abs. 1 AO ausdrücklich nicht die Abweichung der Rechtsauffassung von jener der Steuerverwaltung bzw. der Rechtsprechung. Folgerichtig kann der Steuerpflichtige oder sein Steuerberater der Steuererklärung eine abweichende, also für den Steuerpflichtigen günstigere, Rechtsauffassung vertreten. Erlaubt ist jedoch nicht, die Finanzbehörde über solche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen, die aus ihrem typisierten Empfängerhorizont entscheidungserheblich sind.

Der Taterfolg der Steuerhinterziehung

Der Tatbestand des § 370 AO ist erfüllt, wenn eine der oben genannten Tathandlungen ursächlich eine Steuerverkürzung oder die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile herbeigeführt hat.

Steuerverkürzung

Eine Steuerverkürzung verlangt dabei keinen tatsächlichen und endgültigen Steuerausfall des Staates. Eine Steuer ist nach dem Wortlaut der Vorschrift schon dann verkürzt, wenn die rechtzeitige und vollständige Verwirklichung des staatlichen Steueranspruchs, also der volle Steuerertrag bloß gefährdet ist. Ob die Festsetzung endgültig oder zunächst vorläufig bzw. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeht, ist dabei ohne Belang.

Da die Vorschrift der Steuerhinterziehung sämtliche Steuerarten erfasst, sind für die Beurteilung der Steuerverkürzung die jeweiligen Regelungen des materiellen Steuerrechts heranzuziehen.

Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils

Von der Steuerverkürzung lässt sich die Erlangung eines nicht gerechtfertigten steuerlichen Vorteils eigentlich nicht abgrenzen. Denn: Bei Erlangung eines ungerechtfertigten Erstattungsanspruches liegt in der Regel gleichzeitig eine Steuerverkürzung vor und umgekehrt. Während Letztere die Gefährdung des Steueranspruches aus Sicht des Staates abbildet, lässt sich die Gefährdung bei Ersterer unter den Blickwinkel des Steuerpflichtigen fassen.

Ein tatsächlicher Schaden braucht dem Fiskus durch die Tat nicht zu entstehen. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO regelt, dass der Erfolg auch dann als eingetreten gilt, wenn die tatbetroffene Steuer aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden müssen. Durch dieses sogenannte Kompensationsverbot solle es dem Strafrichter nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Beurteilung einer möglichen Steuerhinterziehung erspart bleiben, den Steuerfall vollumfänglich auf die Berechtigung des Steueranspruchs zu prüfen. Von der strengen Anwendung des Kompensationsverbots wird in der Rechtsprechung eine Ausnahme gemacht, wenn die steuermindernden Umstände unmittelbar mit den verschwiegenen, steuerbegründenden Tatsachen zusammenhängen und bei pflichtgemäßer Offenbarung ohne Weiteres zu berücksichtigen gewesen wären.

Strafmaß der Steuerhinterziehung

Wer den Tatbestand der Steuerhinterziehung vorsätzlich, also wissentlich und willentlich erfüllt, muss eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren fürchten. In den strafschärfenden Fällen des § 370 Abs. 3 AO droht gar eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Diese ungünstige Verschiebung bei der Strafzumessung kommt in Betracht, wenn im Einzelfall eine erhebliche Gefährdung des Steueraufkommens herbeigeführt wird. Dies ist beispielsweise nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO der Fall, wenn die Steuer in großem Ausmaß verkürzt worden ist, was nach der Rechtsprechung bei einem Betrag ab 50.000 Euro angenommen wird.

Bereits ein bedingter Tatvorsatz reicht aus. Das bedeutet, wer die Steuerhinterziehung billigend in Kauf nimmt, kann den Tatbestand erfüllen. Allerdings kann der Vorsatz ausgeschlossen sein, wenn der Täter über die Wertung von Tatsachen irrt. In entsprechenden Fällen verbleibt den Behörden immerhin eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro.

Leichtfertig handelt dabei, wer die ihm gebotene Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt.

Die Privilegierung einer Selbstanzeige

Während das Strafrecht für gewöhnlich die Strafbefreiung im Falle eines Rücktritts grundsätzlich nur im Versuchsstadium, das heißt bei noch nicht vollendeter Tat, vorsieht, greift bei der Steuerhinterziehung eine Ausnahme. Das Gesetz sieht vor, dass durch eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO die bereits entstandene Strafbarkeit rückwirkend wieder beseitigt wird.

Der persönliche Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige diene laut höchstrichterlicher Rechtsprechung einerseits dem Zweck, das Steueraufkommen durch die Erschließung verborgener Steuerquellen zu vermehren. Andererseits solle dem Steuerhinterzieher der Anreiz gegeben werden, wieder auf den Pfad der Steuerehrlichkeit zurückzukehren.

Jedoch verlangt der Bundesgerichtshof für eine wirksame Selbstanzeige, dass der Täter „reinen Tisch“ macht, also die Offenbarung aller bisher nicht preisgegebenen Tatsachen. Die Möglichkeit einer Teilselbstanzeige ist insofern ausgeschlossen. Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist des Weiteren in den Fällen des § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen, etwa wenn die Steuerhinterziehung der Finanzbehörde bereits bekannt ist oder der Steuerhinterzieher bzw. sein Vertreter (z. B. Steuerberater) über die Einleitung eines Straf- oder Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt wurden.

Ist durch die Steuerhinterziehung bereits eine Steuerverkürzung eingetreten bzw. ein ungerechtfertigter steuerlicher Vorteil erlangt, kommt einer Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nur in Frage, wenn die hinterzogene Steuer samt entfallender Zinsen entrichtet werden (vergleiche § 371 Abs. 3 AO).

Zu beachten ist, dass eine Straflosigkeit wegen Selbstanzeige auch dann ausgeschlossen ist, wenn die hinterzogene Steuer je Tat einen Betrag von 25.000 Euro übersteigt. Das strafrechtliche Unrecht lässt sich nach dem Willen des Gesetzgebers in diesen Fällen selbst durch Entrichtung der hinterzogenen Steuer nicht mehr ganz beseitigen. Dem Täter bleibt zur Verhinderung einer Bestrafung wegen zu seinen Gunsten hinterzogener Steuern eine Verfahrenseinstellung nach § 398a AO herbeizuführen.

Voraussetzung hierfür ist, dass neben einer vollständigen und richtigen Selbstanzeige der Hinterziehungsbetrag samt eines in Absatz 2 der Vorschrift genannten aufgestuften Zuschlag gezahlt wird. Werden die Voraussetzungen erfüllt, tritt eine Strafklageverbrauch ein, das heißt die Strafverfolgungsbehörde ist gehindert, die Steuerhinterziehung bei Gericht öffentlich anzuklagen.

Beratung zum Thema Steuerstrafverfahren, insbesondere beim Vorwurf der Steuerhinterziehung

Wegen der im Einzelfall komplexen Sachverhalts- und Rechtslage ist für die Verteidigung bei vorgeworfener Steuerhinterziehung die frühestmögliche Hinzuziehung eines kundigen Rechtsanwaltes für gute Erfolgsaussichten ausschlaggebend. Insbesondere bei der Beurteilung, ob noch eine Selbstanzeige in Betracht kommt bzw. wie das Verfahren im Sinne des Beschuldigten wie auch des Staates einvernehmlich abgeschlossen werden kann. Ein gut organisiertes, taktisch ausgerichtetes Vorgehen ist dabei von höchster Bedeutung, wobei durch die Doppelfunktion der Finanzbehörde weitgehende Verständigungsmöglichkeiten für einen Verteidiger offenstehen.

Rechtsanwalt Markus Bialobrzeski aus Braunschweig, Fachanwalt für Steuerrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht, berät Sie bei Fragen zum Steuerstrafrecht, insbesondere zur Steuerhinterziehung und steht Ihnen bei weiteren möglichen Fragen des Arbeits-, des Steuer- oder Strafrechts zur Seite. Sie erreichen Bialobrzeski Rechtsanwälte und Steuerberatung unter der Telefonnummer 0531 480 312 80 oder per E-Mail unter office@bialo19.de oder direkt an unserem Kanzleisitz Neue Straße 20, 38100 Braunschweig.