Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Im Falle einer Erkrankung kann der Arbeitnehmer an seiner vertraglichen Arbeitsleistung gehindert sein. Dies weist er seinem Arbeitgeber dann durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach. In Zukunft entfällt der Nachweis in Papierform, womit auch der bekannte „gelbe Schein“ der Vergangenheit angehören wird.

In diesem Beitrag erklärt Rechtsanwalt Markus Bialobrzeski aus Braunschweig, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Steuerrecht und Strafrecht, was sich mit der Umstellung auf digitale Krankschreibungen ändert.

Grundsätzliches zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Pflicht des Arbeitnehmers zur unverzüglichen Anzeige seiner Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Nach Satz 2 ist daneben spätestens am vierten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Im Arbeitsvertrag kann abweichend eine bereits frühere Nachweispflicht vereinbart sein.

Um mit der Digitalisierung Schritt zu halten, hatte der Bundestag am 24. Oktober 2019 das Bürokratieentlastungsgesetz III verabschiedet, das unter anderem die Abschaffung schriftlicher Krankschreibungen vorsah. Die Umsetzung der Änderungen sollte ursprünglich ab Jahresbeginn 2022 gelten.

Die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie machten allerdings eine zweifache Verschiebung der neuen Regelungen notwendig. Nunmehr wird der gelbe Schein ab dem 01.01.2023, bis auf einige Ausnahmefälle, endgültig der Vergangenheit angehören. Arbeitgeber müssen die Bescheinigungen dann digital von den Krankenkassen anfordern.

Das neue Verfahren im Überblick

Bis Arbeitgeber von der neuen Verpflichtung betroffen sein werden, wird das Verfahren bereits seit dem 01. Januar dieses Jahres in einer Pilotphase getestet. Diese soll eine reibungslose Umstellung mit dem Jahreswechsel ermöglichen. Das Verfahren einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unterteilt sich dann in folgende drei Schritte:

1. Meldung des Arztes an die Kasse

Wird bei einem Arztbesuch die Arbeitsunfähigkeit eines Patienten festgestellt, übermittelt der Arzt eine qualifiziert elektronisch signierte Bescheinigung an die Krankenkasse über die sogenannte Telematikinfrastruktur. Dabei werden entsprechend § 295 Abs. 1 SGB V von dem jeweiligen Praxisverwaltungssystem alle Daten mitgeteilt, die sich auf der bisher üblichen Krankschreibung wiederfanden.

Arztpraxen führen diesen ersten Verfahrensschritt bereits seit dem 01.01.2022 aus, sofern sie über die entsprechende technische Einrichtung verfügen. Parallel erhalten Patienten bis zur endgültigen Umstellung nach § 73 SGB V weiterhin eine Durchschrift, um diese dem Arbeitgeber weiterleiten zu können.

2. Benachrichtigung an Arbeitgeber

Der Arbeitnehmer informiert sodann schnellstmöglich seinen Arbeitgeber über seine Arbeitsunfähigkeit. An der Anzeigepflicht ändert sich insofern nichts. Die Benachrichtigung kann formfrei, also fernmündlich, per Mail oder schriftlich erfolgen. Der Arbeitgeber hat nun Kenntnis, dass er die Bescheinigung direkt bei der Krankenkasse abrufen kann.

3. Abruf des Arbeitgebers bei der Krankenkasse

Gem. § 109 SGB IV stellen die Krankenkassen die Daten für die Arbeitgeber über eine gesicherte und geprüfte Verbindung zum Abruf bereit. Die Vorlagepflicht des Arbeitnehmers entfällt gemäß dem (ab dem 01.01.2023 geltenden) neuen § 5 Abs. 1a) EntgFG. Arbeitgeber, die bereits über die notwendige technische Ausstattung verfügten, konnten seit Anfang 2022 rückwirkend die Daten bis zum 01. Oktober 2021 abrufen.

Die im ersten Verfahrensschritt geschilderte Übermittlung erfolgt durch Vertragsärzte wie auch durch Krankenhäuser. Die Krankschreibung in Papierform wird jedoch keineswegs vollständig verschwinden. In folgenden Fällen ist eine Bescheinigung von der elektronischen Erfassung ausgenommen:

  • Bei Privatversicherten
  • Krankschreibungen durch Privatärzte bzw. durch Auslandsärzte
  • Aufenthalte in Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen
  • Bei Physio- sowie Psychotherapeuten
  • Bei Minijobbern in privaten Haushalten

Folgen für Arbeitgeber

Für Arbeitgeber geht die Umstellung der jahrzehntelangen Praxis mit einigen Herausforderungen einher. Die Schaffung neuer Strukturen wird durch den Wegfall der schriftlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unumgänglich. Während sie sich bisher auf den Erhalt der Krankschreibungen verlassen bzw. dem Arbeitnehmer in sonstigen Fällen eine Pflichtverletzung vorhalten konnten, werden sich Arbeitgeber nach der Krankmeldung künftig eigenständig um den Abruf bei der Krankenkasse kümmern müssen.

Dabei ist auch die Einrichtung neuer technischer Systeme eine Grundvoraussetzung: Diese sind nicht nur für eine korrekte Erfassung der Krankheitstage in Entgeltabrechnungen, sondern für eine Teilnahme am eAU-Verfahren insgesamt vonnöten ist. Um den Abruf der Daten von den Krankenkassen zu ermöglichen, brauchen Arbeitgeber bzw. ihre Steuerberater ein systemgeprüftes Entgeltabrechnungsprogramm, eine elektronisch systemgeprüfte Ausfüllhilfe oder ein systemuntersuchtes Zeiterfassungssystem.

Da Arbeitgeber nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts aus dem jüngsten Urteil vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 zur Bereitstellung einer geeigneten Zeiterfassung verpflichtet sind, dürfte die Einführung systemuntersuchter Zeiterfassungssysteme in der Praxis ohnehin zunehmen. Ein doppelt entstehender Verwaltungsaufwand kann damit vermieden werden. Inhalt und Folgen des genannten BAG-Urteils erläutern wir Ihnen in einem gesonderten Beitrag.

Vorteile der digitalen Übermittlung

Auch wenn der Abschied von dem bewährten Verfahren mit Aufwand verbunden ist, dürfte sich der Nutzen der Umstellung langfristig wohl für alle Beteiligten auszahlen. So zieht der Wechsel zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einige Vorteile nach sich:

  • Reduzierung von Papier- und Erstellungs-, sowie Versendungskosten;
  • Entlastung der Arbeitnehmer, der weder an die Krankenkasse noch den Arbeitgeber eine Bescheinigung verschicken muss;
  • Sichere und schnelle Übermittlung von Arzt an Krankenkasse bzw. Krankenkasse an Arbeitgeber;
  • Unmittelbarer Abruf der eAU durch den Arbeitgeber, sodass Krankenstände bei der Arbeitszeitplanung umgehend berücksichtigt werden können;
  • Lückenlose Dokumentation der Krankheitstage bei der Krankenkasse, somit fehlerfreie Berechnung des Anspruchs auf Krankengeld.

Die Daten des Arbeitnehmers sind durch das eAU-Verfahren keineswegs schutzlos. Ein pauschales Abrufen für eine Vielzahl von Arbeitnehmern ist genauso unzulässig wie eine regelmäßige Überprüfung ohne vorherige Krankmeldung des Arbeitnehmers. Entsprechend werden die Krankenkassen bei unberechtigter Abfrage keine Übermittlung durchführen. Ist eine berechtigte Abfrage des Arbeitgebers verfrüht oder liegt überhaupt keine Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der Krankenkasse vor, so erhält der Arbeitgeber die Rückmeldung „04“ (= „eAU/Krankschreibung liegt nicht vor“). Eine erneute Abfrage kann sodann erst nach Ablauf von 14 Kalendertagen erfolgen. Binnen dieser Zeit behalten sich die Krankenkassen die Überprüfung vor, ob noch Daten zu einer Arbeitsunfähigkeit eingehen.

Beratung zum Thema elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Mit dem Wechsel vom gelben Schein zur digitalen Krankschreibung vollzieht der Gesetzgeber nach der Umstellung auf den behördlichen und gerichtlichen elektronischen Schriftverkehr den nächsten Schritt in Sachen Digitalisierung. Langfristig war dies unumgänglich. Sobald das neue Verfahren erst einmal etabliert ist, wird es wohl von niemandem mehr hinwegzudenken sein. Haben Sie bis dahin Unsicherheiten zu der Thematik, kontaktieren Sie uns gerne.

Rechtsanwalt Markus Bialobrzeski aus Braunschweig, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Steuerrecht und Strafrecht, berät Sie bei Fragen zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und steht Ihnen bei weiteren möglichen Fragen des Arbeits-, des Steuer- oder Strafrechts zur Seite. Sie erreichen Bialobrzeski Rechtsanwälte und Steuerberatung unter der Telefonnummer 0531 480 312 80 oder per E-Mail unter office@bialo19.de oder direkt an unserem Kanzleisitz Neue Straße 20, 38100 Braunschweig.